Zur Freude von Biene und Mensch
Allgäuer Kommunen zeigen großes Interesse an Wildblumen im Stadtbild
1. März 2014 - Wie mehr Natur ins Ortsbild kommt, interessiert im Allgäu inzwischen viele Menschen. Dies zeigte die Tagung „Mehr Bunt im öffentlichen Grün“, zu der kürzlich über 100 Vertreter aus insgesamt 50 Gemeinden im Unter- und Oberallgäu und dem Kreis Lindau nach Bad Grönenbach kamen.
Im Publikum saßen Bürgermeister, Bürgermeisterkandidaten, Mitarbeiter aus der Verwaltung, von Bauhöfen und Stadtgärtnereien. Sie erfuhren von Fachleuten anhand vieler konkreter Beispiele aus der Praxis wie sich Wildblumen in das Stadtbild integrieren und damit Siedlungsräume nicht nur verschönern sondern auch ökologisch aufwerten lassen.
„Sie konnten keinen besseren Ort für eine Tagung zu diesem Thema wählen als Bad Grönenbach“ begrüßte Bürgermeister Bernhard Kerler die Teilnehmer. Bereits 2007 hat die Gemeinde begonnen, ihre Grünflächen schrittweise in artenreiche, bunte Wiesen zu verwandeln, die vielen Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Das veränderte Ortsbild der Kneipp-Kurortes nehmen sowohl Gäste wie Einheimische sehr positiv wahr. Damit nimmt
Bad Grönenbach im Allgäu eine Vorreiterrolle
ein, die inzwischen immer mehr Nachahmer findet. Für ihre Initiative wurde die Gemeinde mehrfach ausgezeichnet. Seit 2011 darf sie sich Biodiversitätskommune nennen, ein Imagevorteil, der sich in der Außendarstellung sehr gut macht. Innerhalb der Gemeinde ist es Projektleiter Marcus Haseitl gelungen, alle Schulen mit in die Aktion „Bad Gönenbach blüht auf“ einzubinden. Sogar einige Landwirte haben inzwischen Blühstreifen am Rande ihrer Felder rund um Grönenbach angelegt. Und auch andere haben sich von der Begeisterung anstecken lassen: Nicht zuletzt das Unterallgäuer Landratsamt in Mindelheim steht mittlerweile inmitten einer bunt blühenden Bienenweide.
Vorbild Bad Saulgau
Wie weit dieser vielversprechende Ansatz führen kann, zeigten bei der Allgäuer Tagung der städtische Umweltbeauftragte und der Leiter der Stadtgärtnerei der badenwürtembergische
„Landeshauptstadt der Biodiversität“ Bad Saulgau
im Kreis Sigmaringen auf. Die Kurstadt setzt seit über 20 Jahren auf konsequente Umwelt- und Naturschutzarbeit in allen Bereichen der Gemeinde. Nahezu alle öffentlichen Grünflächen der Stadt wurden in vielfältige blühende naturnahe Wiesen und Wildstaudenbeete umgewandelt, mehrere Bachläufe renaturiert und Biotope angelegt. Viele Maßnahme erfolgen in Kooperation mit Schulen, privaten Patenschaften und mit Hilfe von Sponsoren aus der privaten Wirtschaft. Es entstanden Naturwanderwege und Lehrpfade rund um die Stadt, alljährlich feiert die Stadt einen großen Umwelterlebnistag für Familien, es werden Volkshochschulkurse und Führungen zu Naturthemen veranstaltet.
Große Effekte, geringe Kosten Geld hat Bad Saulgau für ihren ökologischen Wandel vergleichsweise wenig ausgegeben. Wie das möglich ist, erklärt Stadtgärtner Jens Wehner: „Sonst in Städten übliche Wechselbepflanzungen, sind extrem teuer, weil sie ja alljährlich neu angelegt und stark gepflegt werden müssen. Von den hier eingesparten Kosten kann man vergleichsweise viel ökologisch sinnvolle und kostengünstige Maßnahmen machen. Wir haben heute das selbe Budget wie vor 15 Jahren und bewirtschaften inzwischen sogar mit etwas weniger Personal die doppelten Flächen. Denn richtig angelegte naturnahe Flächen brauchen langfristig viel weniger Pflege.“
Knallbunt ist nicht immer die ökologisch beste Lösung
Doch Knowhow ist auch beim naturnahen Gärtnern gefragt. Schlechte Erfahrungen haben die Fachleute beispielsweise mit einjährigen Mischungen gemacht, wie sie etwa in der Stadt Mössingen bevorzugt eingesetzt werden. „Die sind nur kurze Zeit schön, dann leisten sie Unkräutern Vorschub, die später kaum noch zu kontrollieren sind“ warnt der Biologe Dr. Reinhard Witt, der als Grünplaner unter anderem das die
Gemeinde Haar bei München
betreut. Er ist sich mit Saulgaus Stadtgärtner Wehner einig: „Einheimische Pflanzen sind immer sehr viel robuster und besser an die Umgebung angepasst als dekorative Exoten, die in vielen preisgünstigen Wildblumenmischungen mit enthalten sind. Außerdem sind nur heimische Pflanzen geeignetes Futter für zum Teil hochspezialisierte Insekten, und dienen ihnen im Winter als Versteck und als Vogelfutter.“ Er empfiehlt daher gebietsheimische Mischungen zu verwenden, da diese ökologisch deutlich wertvoller sind und einen nachhaltigeren Begrünungserfolg garantieren.Wie solche Mischungen hergestellt werden, erläuterte Ernst Rieger von der
Fa. Rieger-Hofmann
.
Geduld gefragt
Da die meisten heimische Wildblumen allerdings erst im zweiten Jahr nach der Aussaat zur vollen Blüte kommen ist bei solchen Mischungen mehr Geduld gefragt, gibt Witt zu bedenken. Hier sei es wichtig, auf Schildern und in anderen begleitenden Maßnahmen zu erklären, warum auf einer neu angelegten Fläche zunächst oft nur wenig zu sehen ist. „Wildblumenflächen entwickeln sich über mehrer Jahre und verändern dabei auch immer wieder ihr Erscheinungsbild sehr stark. In den ersten Jahren sieht deshalb so eine Fläche in jedem Jahr völlig anders aus als zuvor.“ Wissen dies Betrachter zu schätzen? Die Erfahrungen in Saulgau und Bad Grönenbach sprechen dafür. (isi)
Nachbar Buntspecht erhöht den Wohnwert
Dass nur eine kleine Minderheit der Menschen sich auf englischen Rasenflächen wohler fühlt als umgeben von bunten Blumen, belegt eine Studie aus der Schweiz. Dort wurden Menschen anhand von zwölf simulierten Bildern nach ihren Vorlieben gefragt. Die Bilder zeigten ein Wohngebiet mit jeweils mehr oder weniger Natur rund um die Häuser. Nur vier Prozent fanden saubere Rasenflächen am wohnlichsten, für sehr naturnahe Umgebungsvarianten mit Wildblumenwiesen, Heckensträuchern und großen Bäumen begeisterten sich dagegen mehr als 60 Prozent. Wären in einer solchen Umgebung auch seltene Vögel und Insekten heimisch, würden nicht wenige Menschen dafür sogar eine höhere Miete in Kauf nehmen. (isi)
Wildblumen-Pracht statt Mais-Öde?
Vermaisung könnte ein Ende haben
Mai 2012 - Biogas aus Wildpflanzen ist wirtschaftlich genauso attraktiv wie Biogas aus Mais. Der Einsatz von naturnahen Kulturen hätte auch ökologische Vorteile... (von Bernward Janzin, taz)
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